29.12.2016, 23:19 Uhr

Falsche Rentierflechte auf der Heideterrasse

Flechten entstehen durch das Zusammenleben von Pilzen und Algen...

Falsche Rentierflechte
Falsche Rentierflechte
© Matthias Schwarz

Von Matthias Schwarz

Die Arten der Gattung Cladonia sind meist verhältnismäßig auffällige Strauchflechten. Zu ihnen zählen u.a. die pittoresken Rentierflechten, die Blumengestecke und Modelleisenbahnlandschaften schmücken. Die weltweit verbreitete Gattung zählt etwa 350 Arten. In Deutschland sind ca. 70 Spezies nachgewiesen. Viele Cladonia-Arten bewohnen nackten Erdboden. Zu ihnen gehört auch Cladonia rangiformis, die Falsche Rentierflechte, eine in NRW gefährdete Rentierflechtenart. Sie gedeiht dort, wo die Konkurrenzkraft höherer Pflanzen gehemmt ist. Das sind in der Regel nährstoffarme und flachgründige Stellen. "Cladonia rangiformis meidet ausgeprägt saure Böden. Man trifft sie zum Beispiel in Kalktrockenrasen, an Waldrändern und auf planiertem Kiesabbaugelände", schreiben Wirth, Hauck und Schultz in dem 2013 erschienen Standardwerk "Die Flechten Deutschlands".

Cladonia rangiformis ist eine weiß- bis hell grünlichgraue, reich gegabelte Strauchflechte mit gebräunten, zugespitzten Enden. Die Stämmchen, Podetien genannt, sind fein gescheckt und wirken wie ein weißgrüner Giraffenhals. Im Gegensatz zu den echten Rentierflechten weist die Falsche Rentierflechte (Cladonia rangiformis) kleine abstehende Blättchen an den Stämmchen auf, die sich mit der Lupe erkennen lassen.

Was sind eigentlich Flechten? Lange Zeit lag ihre Biologie im Dunkeln. Unsere Vorfahren rechneten sie zunächst zu den Moosen. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts stellte der deutsche Mykologe Anton de Barys die These auf, dass Flechten aus Pilzen und Algen bestehen. Kurze Zeit später baute der Schweizer Naturforscher Simon Schwendener nach eingehenden Studien die Theorie weiter aus: Flechten seien keine einheitlichen Organismen wie zum Beispiel Moose oder Blütenpflanzen. Sie entstünden stattdessen durch das Zusammenleben von Pilzen und Algen.

Flechtenlebensraum in der Dellbrücker Heide
Flechtenlebensraum in der Dellbrücker Heide
© Matthias Schwarz
Die Gleichung Pilze + Alge oder Bakterium = Flechte gilt bis heute. Im Gegensatz zu einer Mykorrhiza-Symbiose, in der beide Partner zum Beispiel Pilz und Baum, ihre ursprüngliche Gestalt behalten, entsteht bei den Flechten eine neue morphologische, physiologische und ökologische Einheit. In dem von beiden Organismen gebildeten Lager, auch Thallus genannt, ist weder der Pilz noch die Alge als Individuum zu erkennen.

Der Flechtenpilz gehört in der Regel zu den Ascomyceten, den Schlauchpilzen. Er ist damit ein Verwandter von Trüffeln und Morcheln. Allein kann dieser Pilz nicht überleben. Er braucht Kohlenhydrate, die er - wie alle anderen Pilze auch - selbst nicht produzieren kann. Deswegen verbündet er sich in der Regel mit einer Alge. Biologen nennen den Partner des Flechtenpilzes Photobiont. Er ist in der Lage, Photosynthese zu betreiben, also Wasser und Kohlenstoffdioxid aus der Luft in Kohlenhydrate und Sauerstoff umzuwandeln. So wird der Pilz mit Nährstoffen versorgt.

Aber auch der Pilz hat etwas zu bieten. Sein stabiles Hyphengeflecht schützt die Algenzellen und Bakterien vor gleißender Sonne, Wasserverlust und Tierfraß. Auf diese Weise können Pilz und Alge Standorte besiedeln, an denen sie alleine nicht existieren könnten, zum Beispiel die nährstoffarmen Flächen in der Dellbrücker Heide oder der Wahner Heide.