24.01.2016, 19:39 Uhr

Besuch auf dem Glanhof in Rösrath bei Glanrind, Esel, Wasserbüffel, Schaf und Ziege

Stefan Mohr vom Glanhof erklärte heute einer 10-köpfigen Interessierten-Gruppe die Zusammenhänge von landwirtschaftlichem Bio-Betrieb, artenreicher Weidelandschaft und wohlschmeckendem Rindergulasch.

Bei eher feuchtem als kalten Winterwetter traf sich die Gruppe zunächst am Heideportal Turmhof in Rösrath-Brand, wo Stefan Mohr zunächst die ursprüngliche mitteleuropäische Landschaftsform und die durch traditionelle extensive und durch moderne internsive Beweidung geprägte Landschaftsform vorstellte. Demnach sei der so oft zitierte undurchdringliche Urwald der Urzeit gar nicht so dicht gewachsen gewesen sondern eher eine parkähnliche Landschaft mit nur vereinzelten Baumgruppen gewesen, die von riesigen Herden großer Pflanzenfresser offen gehalten wurde, von Wisenten, Auerochsen, Wildpferden und Hirschen. Nach der Verdrängung bzw. Ausrottung dieser Wildtiere durch den Menschen nahmen Nutztiere deren Funktion ein, wo früher Wisente, Auerochsen und Wildpferde grasten schickten über Jahrtausende die Bauern ihre Rinder, Schafe und Ziegen zur Eichelmast in die lichten Wälder und Beweidung die offenen Ebenen.

So auch in die Wahner Heide, wo sich direkt gegenüber vom Turmhof eine alte Hutewiese befindet, die eben nicht nur aus einer planen Wiese besteht sondern wo auch vereinzelt mächtige Eichen sowie Brombeerhecken, in deren Schutz vor Rindermäulern die nächsten Eichengenerationen nachwachsen können. Solche Koppeln sind selten geworden im Zeitalter der industriellen Landwirtschaft, wo Kühe kaum mehr auf die Weide kommen, und diese Weiden dann auch so dicht bestückt werden, dass da außer Gras kaum mehr was wächst. Ein paar Schritte weiter konnten diejenigen Wiesenflächen besichtigt werden, wo das Winterfutter für die Glanrinder geerntet wird, und zwar nur zweimal jährlich, wie Stefan Mohr betont, wohingegen bei der "normalen" Heuproduktion fünf- bis siebenmal gemäht wird. Der Unterschied besteht darin, dass bei einer so häufigen Mahd gerade mal zwei Grassorten durch kommen, Blütenpflanzen haben gar keine Chance, wodurch zahlreiche Insektenarten wie Bienen und Schmetterlinge keine Existenzgrundlage haben, und auch für die Kühe selbst ist es weitaus gesünder, wenn das Heu aus vielen verschiedenen Arten mit verschiedenen Blüten- und Samen-Reifegraden besteht.

außerdem war zu erfahren, dass der Glanhof nicht rein von der Landwirtschaft im klassischen Sinne lebt, und leben kann, sondern zu einem guten Teil von Kompensationsmaßnahmen, die vom Flughafen Köln / Bonn geleistet werden, als Ausgleich für Beeinträchtigungen der Natur, die dadurch entstanden sind, dass der Flughafen seinerzeit mitten in die wertvollsten Heidegebiete hinein gebaut worden ist. Viehwirtschaft auf den sandig-mageren Böden der Wahner Heide war immer schon mühsam, es dauert eben, bis hier eine Kuh genug gefunden hat um satt zu werden. Was vor noch wenigen Jahrzehnten normal war, extensive Beweidung, gilt heute als Landschaftspflege, als Erhaltung eines Lebensraumes für bedrohte Arten, und man bekommt als Landwirt Geld dafür anstatt Pacht bezahlen zu müssen. Die gibt es zwar auch noch, aber das ist ein anderes Kapitel.

Stefan Mohr (Mitte) mit seinen Show-Girls
Stefan Mohr (Mitte) mit seinen Show-Girls
© Justus Siebert
Nächste Station war die kleine Koppel am Schulbauernhof, wo endlich die ersten Tiere live zu sehen waren, nämlich Ziegen und Schafe mit Lämmern, die allerdings keine Streicheleinheiten nötig hatten, jedenfalls wollten sie sich zu diesem Zwecke nicht einfangen lassen. Zumindest die Ziegen ließen sich jedoch streicheln, und auch die beiden Show-Kühe gaben sich entgegenkommend. Noch ein paar Schritte weiter, und wir waren beim eigentlichen Glanhof angekommen, wo es noch mehr Glan-Kühe zu sehen gab, und noch mehr Infos zu dieser Rasse: dass es nämlich eine genügsame Rasse ist, von der es insgesamt nur noch an die 2.000 Tiere gibt, was nicht viel ist. Damit macht der ca. 50-köpfige Bestand des Glanhofes knapp 3% des Weltbestandes aus. Der Glanhof selbst besteht eigentlich nur aus dem Offenstall für die Kühe und demjenigen für die Esel, hier wohnen also nur Tiere, und das auch nur á la Saison, nämlich im Winter (sagen wir mal, wie jetzt gerade), sobald die Weidekoppeln, etwas im Geisterbusch, wieder Futter produzieren, sind die Tiere die ganze Zeit draußen. Das ist so im April / Mai, deshalb findet übrigens auch das Weidefest am Turmhof immer am ersten Mai statt.

Glanrinder in Offenstallhaltung
Glanrinder in Offenstallhaltung
© Justus Siebert
Nochmal zum Offenstall: das hat durchaus Prinzip und ist nicht selbstverständlich, wie wir erfahren. Kühe als Nachfahren von eiszeitlichen Auerochsen haben kein Problem mit Kälte, wenn eine Front des Stalls komplett offen steht, eher mit zu viel Wärme und Feuchtigkeit eines geschlossenen Stalles, wo sich Krankheitserreger besser entfalten können. Zum Wohlfühlen brauchen Kühe zudem Platz, um sich innerhalb der Herdenhierarchie stressfrei bewegen zu können. Dann braucht man ihnen auch nicht die Hörner ab zu sägen, die sie übrigens als Sinnesorgane und zur Kommunikation brauchen. Für uns Besucher die Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, dass die Glanhof-Rinder ihre Hörner auch haben, und die Kälber bei ihren Müttern im Stall sein und trinken dürfen, und nicht in einer Extra-Box als Zwischenstation zum Kalbsschnitzel. Geschlachtet werden die meisten aber doch irgendwann, um die 10 Stück pro Jahr, aber erst im Alter von ein bis drei Jahren. Das war eine nicht so kuschelige Info, muss aber ausgehalten werden, wenn man einen fleischproduzierenden Betrieb besucht, und keinen Milchbetrieb, wobei, Milchproduktion und Kalbsschnitzel, aber das würde hier zu weit führen...

Esel zum Anfassen
Esel zum Anfassen
© Justus Siebert
Etwas Mitleid erregte aber dann doch der freundliche Zuchtbulle, weniger, weil er noch in seinem eigenen Gatter stand, und erst in ein paar Wochen zu seinen Kühen darf, sondern weil wir uns sagen ließen, dass er kurz vor der Zeugung seiner fünften Kälbergeneration steht - und anSchließend in der Wurst landen wird. Weil danach frisches Blut in die Herde muss, und weil er dann evtl. auch nicht mehr den ganzen Job schafft. Naja. Heiterer gings dann wieder bei den Eseln zu, die kommen nicht in die Wurst, weil wir in Deutschland und nicht in Italien oder Südfrankreich sind, vielleicht wissen die das auch irgendwie, jedenfalls ließen sie sich vertrauensvoll kraulen. In der Wahner Heide haben sie ihren Job als Landschaftspfleger, weil sie nochmal andere Freßgewohnheiten haben als Rinder und Ziegen, so verbeißen sie z.B. aufkommende Bäume stärker als ihre Kollegen.

Wasserbüffel und Glanrinder auf Hasbach-Koppel
Wasserbüffel und Glanrinder auf Hasbach-Koppel
© Justus Siebert
Letzte Station war die Hasbach-Koppel 100m gegenüber vom Hof. Neben ein paar halbstarken Glanrindern bekamen wir last but not least endlich auch die Wasserbüffel zu sehen, die sich netterweise nicht im Gebüsch versteckt hatten sondern brav am Futterstand standen. Wir ließen uns sagen, dass diese eher exotisch anmutenden Rinder gar nicht so exotisch sind, auch bei uns in Deutschland inzwischen nicht mehr. In Südosteuropa, Ungarn und Rumänien vor allem, wurden sie seit jeher in großen beständen gehalten, und der italienische Mozzarella wird traditionell nur aus Büffelmilch produziert. Die Büffel sind ganzjährig auf der Koppel, werden hier aber im Winter zu gefüttert, weil die Heide nicht genug her gibt, gerade zu dieser Jahreszeit, deshalb ist rund um die Futterstelle auch als zerstampft und matschig, was für das menschliche Auge zwar schlimm aussieht, für die Natur aber durchaus Positives hat, wie Stefan Mohr uns erklärt. Denn solche großen offenen Matschflächen hat man kaum noch, es sind aber gerade  für Zugvögel beliebte Stellen, um nach Insekten, Würmern und anderem Getier zu suchen. Und die Dunghaufen sind erst recht voller Leben, Käfer und Fliegen legen hier ihre Eier ab, Nahrungsrundlage für zahlreiche Vögel, Amphibien u.a. - wenn die Kuh nicht vorher entwurmt wurde, und aufgrund dieser Hygienemaßnahme alles Leben abgetötet wurde. Aber das konnten wir nicht beobachten, denn für die meisten Insekten war trotz der 9° C immer noch Winter und auch der appetitlichste Dunghaufen konnte keinen Käfer hinter der Rinde hervor locken.

Nochmal zu Büffel und Exotik: man hat ihn ja eher in einem Reisfeld in Südostasien vor Augen, dass er in Europa als Nutztier Tradition hat wissen wir (spätestens) seit 5 Minuten, dass er aber auch als Wildform vor 100.000 Jahren an Rhein und Themse vorkam, in der letzten großen Warmzeit, kriegen wir jetzt auch erzählt. Damit ist er nicht mehr ganz so exotisch, auch wenn die Frage ungeklärt ist, ob er es auch ohne Mensch geschafft hätte, aus dem Vorderen Orient nach Europa wieder einzuwandern, oder ob der Mensch das nicht eher verhindert hat. Ist eigentlich auch egal, denn er macht einen guten Job als Landschaftspfleger, er frisst z.B. Pflanzen wie Binsen, die alle anderen Beweidungs-Kollegen nicht mögen, und hält somit Tümpel beschattungsfrei, was andere Pflanzen und Amphibien gut finden. Und die von Büffeln angelegten Wassersuhlen finden unter anderem die stark bedrohten Gelbbauchunken gut, die allerdings erst wieder einwandern müsste, weil es in der Wahner Heide allenfalls noch Restbestände gibt, aus Zeiten, als hier noch großflächiger gesuhlt wurde.

Damit waren wir durch, nach zwei Unterrichtsstunden (1,5h Echtzeit) geballter Information gings zurück zum Turmhof, wo die zuvor live zu beschauenden und bestreichelnden Glan-Rinder in der Kühltheke im Aggregatzustand "Hackfleisch, 500g" zu beschauen waren. Wobei, eigentlich war Glan-Fleisch alle, wie Stefan Mohr dann feststellte, war nur noch Büffelfleisch da. Gut, dass der Chefselbst vor Ort war, und sich um diesen Engpass kümmern kann. Dann haben wir halt (fast) alle Büffelfleisch gekauft, kriegt man ja auch nicht überall, und ist mal was Neues. Irgendwie hatten jetzt auch alle Hunger, wahrscheinlich kam deswegen das Gespräch auch auf die Idee, demnächst Glan-Gulasch auch im Glas zum sofort-vor-Ort-verköstigen im Turmhof anzubieten, aber hier ist ohnehin gerade was im Umbau, auch der Hofladen, weshalb es derzeit auch etwas zerpflückt aussieht hier, aber so ist das halt, wenn gerade Dynamik drin ist - gut ist das, demnächst also alles schöner, leckerer und überhaupt.